Ein Shuttle vom Pilatus zur Mall
Jan Wengeler, Centerleiter der Mall Of Switzerland, und André Bachmann, Präsident ad interim der City-Vereinigung Luzern, wollen in Zukunft im Kampf gegen den Onlinehandel gemeinsam auftreten. Das erste Projekt nimmt nun Fahrt auf.
André Bachmann, von der Mall weiss man, dass der Start geglückt ist. Ihnen wäre es aber recht, wenn wieder etwas mehr Leute in der Innenstadt einkaufen würden ...
Ja, die Eröffnung hat man in der Innenstadt schon zu spüren bekommen. Es gab Ladenbesitzer, die sich beklagt haben, andererseits aber auch zum Beispiel spezialisierte Boutiquen, die die Restfrequenz dafür als qualitativ besser einstuften.
Die Verantwortlichen der Mall haben vor der Eröffnung betont, man wolle nicht als Konkurrent der Innenstadt auftreten. Wobei können Sie denn von einer Zusammenarbeit mit der City-Vereinigung Luzern profitieren?
Jan Wengeler: Ich möchte dies pauschal betrachten. Es gibt diverse interessante Partner, wie das Verkehrshaus oder verschiede- ne Vereine. Beispielsweise wird es im Sommer ein Volleyballfeld geben, da liegt es nahe, dass wir mit dem lokalen Volleyballverein zusammenarbeiten.
Eine schlechte Nachricht für die City-Vereinigung, Jan Wengeler pflückt sich die Lorbeeren raus, mit dem kleinen Schuhhändler will er aber nicht zusammenarbeiten ...
André Bachmann: Diese Haltung kommt für mich nicht überraschend und ist auch verständlich. Bei uns wird die Mall oder auch die Innenstadt immer noch zu viel mit Versorgung verbunden, Shopping ist aber Teil eines Freizeiterlebnisses.
Gerade die Mall peilt ein grösseres Einzugs- gebiet an. Könnte das Standortmarketing etwas sein, bei dem man zusammenarbeitet?
Jan Wengeler: Wenn einer allein wirbt, ist es tatsächlich viel schwieriger, Kunden von auswärts nach Luzern zu holen. Weshalb soll ein Zürcher in die Mall kommen? Der hat in Zürich andere Shoppingcenter. Wenn er aber die Mall mit einem Ausflug auf den Pilatus und in die Luzerner Altstadt verbindet, hat er einen Mehrwert. Dies könnte beispiels- weise mit einem Shuttlebus von der Pilatus- bahn, wo das Auto abgestellt wird, in die Innenstadt und weiter in die Mall, wo ein- gekauft und vielleicht noch das Kino be- sucht wird, verwirklicht werden. Wir müssen mit den VBL die Idee prüfen, ob ein Shuttle versuchsweise eingeführt werden kann.
André Bachmann: Natürlich könnte man noch andere Shoppingcenter einbinden. Wenn es gelingt, dass die Einkäufe dem Kun- den an seinen Ausgangspunkt geliefert wer- den, also zu seinem Auto, hätten wir eine Dienstleistung, die uns weit überregional in eine Führungsposition bringen würde. Wir haben alle einen starken Konkurrenten, und das ist der Onlinehandel, deshalb müssen wir das Stationäre so attraktiv machen, dass die Leute nicht online abwandern.
Wie wollen Sie verhindern, dass gerade junge Leute online einkaufen?
Heute ist nicht mehr reines Shoppen angesagt, man geht in die Mall, um seine Freizeit zu verbringen, um zu flanieren. Wir haben touristisch die spannendste Region der Schweiz. Auch der Schweizer ist ein Tourist, der nach Luzern reist und dort seine Freizeit verbringt.
Im Zusammenhang mit dem Detailhandel wird oft die Schönheit der Region als Argument verwendet, aber rettet dies tatsächlich den kleinen Metzger?
Jan Wengeler: Es gibt Branchen, die europaweit im Zeitalter dieses Kostendrucks einfach nicht mehr rentabel geführt werden können. Die Leute nehmen sich heute schlicht nicht mehr Zeit, noch zum Metzger zu gehen. Im Gegenzug entstehen wieder neue Konzepte. Die Läden verschwinden nicht, weil die Innenstadt nicht funktioniert, und auch nicht, weil die Mall gekommen ist, sondern aufgrund eines veränderten Konsumverhaltens. Der Handel ist im Wandel, das war immer schon so. Was sich verändert hat, sind die Lebenszyklen. Früher hat ein Konzept 10 Jahre oder sogar 20 funktioniert, heute kann man mit den wenigsten einen Zehn-Jahres-Vertrag abschliessen. Das ist aber auch nicht schlimm.
Für Sie nicht, für den Metzger in der Innenstadt schon ...
André Bachmann: Der Metzger hat früher die Grundversorgung sichergestellt, heute ist er der Spezialist. Damit hat er auf dem Markt auch eine Chance, das kann man in Luzern beobachten. Es stellt sich aber schon die Frage, ob wir mit den Ressourcen so verschwenderisch weiter umgehen wollen und können. Das Thema Nachhaltigkeit muss kommen, ansonsten schaufeln wir unseren eigenen Abgrund.
So wie es klingt, ist es aber nicht Ihre Vision alle kleinen Detailhändler zu retten?
André Bachmann: Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Wir versuchen, Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit zu schaffen. Daneben muss jeder seine Hausaufgaben machen. Es gibt in der Innenstadt Konzepte, die vor 20 Jahren funktioniert haben, heute aber einfach überholt sind.
Jan Wengeler: Die gibt es auch in der Mall. Es gibt Mieter, die haben fremdsprachiges Personal, aber Englisch und Deutsch gehören nicht dazu. Es gibt auch solche, die noch nicht verstanden haben, dass man nicht mehr bedarfsgerecht, sondern hauptsächlich impulsgetrieben einkauft. Viele gehen an Vorträge, an denen sie sich anhören, wie die Entwicklung im stationären Handel ist, aber verändert wird nichts.
André Bachmann: Die Industrie hat verstanden, dass man ständig im Wandel sein muss. Deshalb sind wir in der Schweiz da auch so erfolgreich. Im Detailhandel hat das noch nicht jeder verstanden.
Jan Wengeler: Jeder weiss: Montag bis Mittwoch sind die verkaufsschwächsten Tage — ausgerechnet am umsatzstarken Samstag müssen wir aber schon um 16 Uhr schliessen. Wir bitten jeden Samstag 5000 bis 8000 Besucher aus der Mall. Es gibt Mieter, die prügeln die Kunden fast aus ihrem Laden. Das ist ein riesiges Problem. Auch die Verkehrsproblematik hat ihren Ursprung zu einem grossen Teil bei den Öffnungszeiten. Hätte man bis 20 Uhr geöffnet, würden die Besucher nicht alle gleichzeitig um 16 Uhr aus dem Parkhaus fahren. Solange wir diese Basis haben, brauchen wir uns nicht zu fragen, weshalb der Umsatz in der Zentralschweiz nicht stimmt. Das ist eine Katastrophe.
Wie geht es nun weiter, kommt es tatsächlich zu einer Zusammenarbeit zwischen der Mall und der City-Vereinigung?
Jan Wengeler: Wir müssen so schnell wie möglich die Umsetzung des Shuttlebusses prüfen. In zwei Monaten setzen wir uns nochmals zusammen, um den Zwischenstand zu besprechen. Die verschiedenen Centerleiter treffen sich alle paar Wochen zum Austausch. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir da die City-Vereinigung als Centerleiter der Innenstadt in Zukunft auch einbeziehen.
André Bachmann: Einige werden da über den eigenen Schatten springen müssen. Wenn wir uns gegenseitig die Kunden abwerben, wäre meines Erachtens die Energie aber falsch eingesetzt.
Marcel Habegger - Anzeiger Luzern 14. März 2018